Widerspricht dem Stereotyp: Sudans Präsident Omar al-Bashir hat Milliarden nach London geschafft

Widerspricht dem Stereotyp: Sudans Präsident Omar al-Bashir hat Milliarden nach London geschafft.
Bild: Keystone

Der Kommentator des «Daily Monitor» in Uganda, einer der besten Zeitungen Afrikas, verstand die Welt nicht mehr. «Bis heute glaubte ich, afrikanische Staatschefs würden das Geld, das sie ihrer Bevölkerung stehlen oder von der Entwicklungshilfe abzweigen, in der Schweiz in Sicherheit bringen», schrieb er Anfang Woche.

Was das Weltbild des Journalisten erschütterte, war nicht die Meldung, dass der sudanesische Präsident Omar al-Bashir neun Milliarden Dollar aus Ölgeschäften unterschlagen haben soll. Das traut man dem islamistischen Gewaltherrscher ohne weiteres zu.

Früher hatten sie ihr Geld in der Schweiz

Nein, das Bemerkenswerte war, dass er das geraubte Geld nicht nach Zürich oder Genf brachte, sondern offenbar auf diversen Banken in London deponierte. Dies jedenfalls geht aus einer von Wikileaks veröffentlichten Depesche eines US-Diplomaten hervor, der sich auf den Internationalen Gerichtshof in Den Haag beruft.

Der Gang nach London widerspricht dem Stereotyp, wonach Kleptokraten ihre Konten selbstverständlich in der Schweiz haben. Zu lange war das tatsächlich so. Ob Nigerias Räubergeneral Sani Abacha, der grössenwahnsinnige Schah von Persien oder der erzkorrupte Ferdinand Marcos von den Philippinen: Diktatoren, die reicher starben, als ihr Land je war, versteckten ihr Geld mit Vorliebe in der Schweiz.

Wendepunkt 1986

Aber auch wenn es in mittelmässigen Thrillern weiterhin zelebriert wird: Die Schweiz ist kein Hort für Diktatorengelder mehr. Der Anfang von dessen Ende lässt sich exakt datieren: Am 24. März 1986 liess der Bundesrat per Notrecht die Konten von Marcos blockieren – geschätzte 500 Millionen Franken. Kurz zuvor war der philippinische Diktator aus seinem Land gejagt worden. Der Entscheid des Bundesrats war eine diplomatische Spitzkehre. Ein paar Jahre zuvor hatte er sich noch geweigert, das Vermögen des gestürzten Schahs einzufrieren. Nun endlich realisierte die Landesregierung, dass solche Gelder dem Ansehen der Schweiz schadeten. Jeder korrupte Machthaber sollte wissen: In der Schweiz ist mein Geld nicht mehr sicher.

Es ging Schlag auf Schlag. Die Eidgenössische Bankenkommission (EBK) verlangte 1987, dass «die Geschäftsleitung und nicht untergeordnete Stellen» über die Kundenbeziehung «mit einer politisch exponierten Person» entscheiden müssen. 1990 traten die Bestimmungen über Geldwäscherei und mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften in Kraft. Die Bankiervereinigung verschärfte 1992 ihre Vereinbarungen zur Sorgfaltspflicht. Fortan mussten die Banken zwingend ihren Kunden, den sogenannt wirtschaftlich Berechtigten, kennen. 1998 trat das neue Geldwäschereigesetz in Kraft, und die EBK erinnerte daran, dass es den Banken «nach langjähriger Praxis» untersagt ist, «Gelder aus Korruption oderaus dem Missbrauch öffentlicher Vermögenswerte» entgegenzunehmen.

1,7 Milliarden zurückerstattet

Dann geschah der GAU, den das engmaschige Regelwerk hätte verhindern sollen: Der nigerianische General Abacha, so wurde 1999 bekannt, hortete eine Milliarde Franken in der Schweiz – auf 150 Konten bei 19 Banken.

Die Abacha-Affäre wurde zum letzten Fanal. Man übertreibt nur wenig, wenn man festhält, dass sich die Schweiz (und ihr Finanzplatz) vom schwarzen Schaf zum weissen Ritter im Umgang mit Diktatorengeldern gewandelt hat. Sie hat in den letzten 15 Jahren regelmässig Gelder von korrupten Staatsmännern blockiert – insgesamt 1,7 Milliarden Franken – und zurückerstattet, mehr als jeder andere Finanzplatz. Gut 700 Millionen Dollar gingen an die Philippinen, 700 Millionen an Nigeria und rund 175 Millionen an Peru. In London liegen derweil noch immer 1,3 Milliarden des Abacha-Clans.

Reformfähiger Finanzplatz

Dank Wikileaks weiss man heute in der ganzen Welt: Die bevorzugte Adresse für Diktatoren ist Grossbritannien (das den Schweizer Finanzplatz immer wieder hart kritisiert). Bis vor 25 Jahren mögen die hiesigen Banken ein Paradies für illegale Gelder gewesen sein. Heute setzen sie strengere Gesetze, als sie das Ausland hat, strenger um, als es das Ausland tut.

Die Geschichte zeigt dreierlei: Der Schweizer Finanzplatz erwies sich als reformfähig – auch wenn es dafür einigen Druck brauchte. Der Strategiewandel schadete, zweitens, den Geschäften nicht. Das sind gute Nachrichten im Blick auf die Diskussionen um den Umgang mit unversteuerten Geldern. Und die dritte Lehre: Ein guter Ruf, das weiss schon der Volksmund, ist schneller ruiniert als aufgebaut.

Daniel Ammann ist Wirtschaftsjournalist und Autor der Marc-Rich-Biografie «King of Oil».

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