Lord’s Resistance Army im Sudan: Terror im Grenzgebiet

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Lord’s Resistance Army im Sudan: Terror im Grenzgebiet
von Marvin Kumetat / Foto: dpa-PA

Es war mal wieder ein blutiger Sommer im Süden des Sudan. Im Bundesstaat Western Equatoria waren es vor allem die Rebellen der ugandischen Lord’s Resistance Army (LRA), die Hunderte Zivilisten ermordeten und verwundeten. Die Übergriffe der brutalen Rebellen gehören für die Menschen der Region zum grausamen Alltag. Dabei sind die Bewohner in den Konflikt, dessen Opfer sie werden, in keinster Weise involviert. Ihre Angreifer sprechen eine andere Sprache als sie selbst und kämpfen einen Krieg, der nicht der ihre ist, sondern sich gegen die ugandische Regierung richtet.

Seit Januar flohen nach UN-Angaben rund 2500 Menschen im Südsudan vor  den Angriffen der Rebellengruppen auf ihre Dörfer in die sichereren Einzugsbereiche der Städte. Dort fehlt es ihnen an der elementarsten Grundversorgung – doch in absehbarer Zeit werden die meisten Flüchtlinge nicht in ihre Dörfern zurückkehren können, da die LRA weiterhin Angst und Schrecken verbreitet.

Die betroffenen Dörfer erfahren zumeist keinen Schutz durch die in der Regenwaldregion kaum präsente südsudanesische Armee. Stattdessen versuchen einfach bewaffnete, lokal organisierte Verteidigungstruppen, die so genannten »Arrow Boys«, die Angriffe abzuwehren. Gegen die gut ausgerüsteten Rebellen der LRA haben sie aber kaum eine Chance.

In Reaktion auf die Attacken der letzten Wochen hat die Regierung des Südsudans nun beschlossen, umgerechnet etwa 2 Millionen US-Dollar für die Bewaffnung und  das militärische Training der Arrow Boys auszugeben. Ein brisantes Unterfangen, denn so wälzt die Regierung ihre Verantwortung für den Schutz der Zivilbevölkerung auf diese selbst ab und zieht diese in einen Stellvertreterkrieg hinein. Und eine ohnehin schon unruhige Region mit neuen Waffen zu überschwemmen, trägt erfahrungsgemäß auch nicht gerade zur Stabilisierung bei.

Die LRA spielt auf Zeit und lenkt von ihren Gräueltaten ab

Um die Lage in der Grenzregion zwischen dem Südsudan und Uganda in den Griff zu kriegen, kam Mitte September eine Konferenz aus mehr als 30 Vertretern aus dem Südsudan, Uganda, der Demokratischen Republik Kongo und der Zentralafrikanischen Republik zusammen. Die Meinung der verschiedenen religiösen und politischen Vertreter war einhellig: Es fehle an einer koordinierten Strategie, wie mit den Rebellen der LRA umzugehen sei und mit Gegengewalt alleine sei das LRA-Problem nicht zu lösen.

Die LRA selbst spielt auf Zeit und lenkt von ihren Gräueltaten ab, indem sie Bereitschaft zu Waffenstillstandsverhandlungen signalisiert und diese in offiziellen Verlautbarungen an die betroffenen Regierungen bis hin zur UN kommuniziert.

Die LRA ging ursprünglich aus der »Holy Spirit Movement« von Alice Auma Lakwena hervor, die in den späten 80-ern in Uganda gegen die Regierung Musevenis und für die Errichtung eines Gottesstaates auf Basis der Zehn Gebote kämpfte. Eine darüber hinausgehende Ideologie ist kaum auszumachen. Im Laufe der Jahre verlor die LRA durch ihre brutalen Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung auch die Unterstützung innerhalb der Bevölkerungsgruppe, aus der sie ursprünglich hervorgegangen war, den Acholi aus Nord-Uganda. Zu einem gewichtigen Akteur im Sudan wurde die LRA während des Südsudan-Krieges. Die Regierung in Khartum nutzte die LRA-Rebellen als Stellvertreter in ihrem Krieg gegen die »Sudan People’s Liberation Army« (SPLA).  Aus Rebellion wurde mit der Zeit Terror.

Heute ist wenig von den einstigen politischen Ambitionen der LRA übrig geblieben, vielmehr ist sie zu einem plündernden Haufen geworden, der Zivilisten ermordet, Dörfer zur Erntezeit plündert und Kinder entführt, um die eigenen Reihen aufzufüllen. Unterschätzen darf man die Bewegung aber nicht, auch wenn die Regierung in Kampala gerne das Bild von der LRA als einem kleinen Haufen marodierender Banden verbreitet: Die LRA ist eine gut trainierte, bewaffnete Gruppe, die dem Kommando eines starken Führers folgt.

Die zuweilen autonomen Splittergruppen nutzen dabei die Grenzgebiete der krisengebeutelten Staaten Sudan, der Demokratischen Republik Kongo und der Zentralafrikanischen Republik, um Raubzüge zu organisieren. Durch den systematischen Einsatz von Verstümmelungen und extensiver Gewalt vor allem gegen Frauen und Mädchen, schafft es die relativ kleine Gruppe, eine gesamte Grenzregion zu destabilisieren. Der Kopf der Rebellengruppe ist Joseph Kony. Er sieht sich selbst als religiös legitimierten Führer und Erben von Alice Auma Lakwena, mit der er behauptet, verwandt zu sein. Als selbst ernannter spiritueller und militärischer Führer schaffte er es, die zersplitterte Rebellengruppe zusammenzuführen und zu vereinen.

Ein Gewirr von Stellvertreterkriegen

Auch gegen ihn stellte der internationale Gerichtshof 2005 einen Haftbefehl wegen schwerer Verbrechen gegen die Menschlichkeit aus. Seit er 1987 den Kampf gegen die ugandische Regierung aufnahm, töteten seine Rebellen mehrere zehntausend Menschen. Heute hält sich Kony wohl irgendwo zwischen dem dichten Regenwaldgebiet der Demokratischen Republik Kongo und der Darfur-Region im Sudan auf und ist somit kaum zu fassen. Doch selbst wenn es gelänge ihn auszuschalten, würde dies die Lage wohl kaum verbessern. Das kopflose Monster, das er zurückließe, könnte sich noch unkontrollierter zersplittern und versprengte Kleinstgruppen aus herangewachsenen ehemaligen Kindersoldaten zurücklassen.

Quelle: http://www.zenithonline.de/politik/hintergruende/?article=916&cHash=f18aa69964

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