Ines Zöttl – Feuer über der Wüste

Ines Zöttl – Feuer über der Wüste

Das Kosovo war die leichte Übung. Im Sudan wird demnächst wieder ein neuer Staat entstehen – oder ein Krieg ausbrechen, der die ganze Region destabilisiert. Ein Fall für die USA und China.

Dschuba ist bereit. Der Präsidentenpalast ist frisch renoviert, Kronleuchter wurden aus Südkorea importiert, der Marmorboden aus Uganda herangekarrt. Vom Flughafen führt eine propere Asphaltstraße ins Zentrum.

Das Städtchen am Weißen Nil tief in Afrika mit geschätzt 250.000 Einwohnern will Hauptstadt werden. Die Hauptstadt eines neuen Staates, der am 9. Januar geboren werden soll: Dann stimmen die Südsudanesen über die Abspaltung vom Norden ab. So ist es ihnen versprochen worden im Friedensabkommen von 2005.

Es war ein geradezu modellhafter Vertrag, der damals zwischen den Gegnern geschlossen wurde. Denn im Sudan loderte das Feuer hoch, das auch in anderen Staaten der Welt bedrohlich schwelt: ethnische, religiöse und wirtschaftliche Konflikte.

Der Norden des Sudan ist vor allem arabisch, dort gilt die Scharia. Im Süden leben viele Christen, die Bevölkerung dort fühlt sich von der Zentralregierung in Khartoum marginalisiert. Zugleich ist der Sudan ein armes Land, obwohl er der drittgrößte Ölproduzent Afrikas ist. Das schwarze Gold findet sich fast exklusiv im Süden. Das ist der Stoff, aus dem Bürgerkriege sind: 22 Jahre und zwei Millionen Tote im Sudan.

Um internationales Interesse zu wecken, würde das vermutlich nicht reichen. Doch der Sudan, Afrikas flächengrößtes Land, grenzt an neun andere Staaten. Und kaum etwas funktioniert auf dem Kontinent der willkürlich gezogenen Grenzen so gut wie der Im- und Export von Kriegen. Dazu ein skrupelloser Präsident, der sich auch schon als Kollaborateur des Terrors betätigte – fertig ist das Idealbild des Krisenstaats.

Es war ausgerechnet Kriegspräsident George W. Bush, der den Frieden im Sudan maßgeblich schmiedete. Die USA pressten Präsident Omar al-Baschir in das Abkommen zwischen Nord und Süd, das Comprehensive Peace Agreement. Es teilte die Öleinnahmen auf, setzte Autonomierechte durch – und es schuf Zeit. Gute fünf Jahre blieben beiden Seiten, um sich gütlich zu einigen. Am Ende sollte das Referendum stehen – und die Einheit festigen oder eine “zivile Scheidung” bringen. Seitdem ist etwas gründlich schiefgelaufen.

Teil 2: Es droht Gefahr

Keines der Szenarien ist mehr wahrscheinlich: Stattdessen steht die “tickende Zeitbombe” (US-Außenministerin Hillary Clinton) vor der Explosion. Es droht eine Neuauflage des Bürgerkriegs. Der Süden ist fest entschlossen, am 9. Januar abzustimmen – und eine Mehrheit der knapp fünf Millionen Wahlberechtigten für die Abspaltung ist sicher. Denn Karthoum hat es in den vergangenen Jahren versäumt, sich für ihre Entwicklung einzusetzen. Der Süden sieht seine Zukunft in der Bindung an Ostafrika.

Zugleich wird offensichtlich, dass der Norden nicht willens ist, ein Drittel seines Staatsgebiets sang- und klanglos abzugeben. Die Vorbereitungen für das Referendum werden von Karthoum unterlaufen.

Selbst wenn die Abstimmung stattfindet, droht Gefahr. Der Norden wird das Ergebnis anfechten, der Süden sich daraufhin einseitig für unabhängig erklären. Was dann passiert, kann man sich in Abstufungen des Grauens ausmalen: Beide Seiten haben die letzten Jahre genutzt, um aufzurüsten. Der US-Journalist und Autor Nicholas Kristof hat schon eine “Chronik des angekündigten Völkermords” entworfen: Milizen aus dem Norden rücken aus und morden, brandschatzen und vergewaltigen im Süden. Al-Baschir lässt die Ölförderanlagen von der Armee besetzen. Das Land versinkt im Chaos.

Spät, sehr spät hat die Alarmstimmung die internationale Diplomatie aufgerüttelt. US-Präsident Barack Obama, dem Experten vorwerfen, dem Krisenherd zu wenig Beachtung geschenkt zu haben, versucht in letzter Minute, eine Eskalation zu verhindern. Anders als sein Vorgänger Bush setzt er nicht die Peitsche ein, sondern lockt al-Baschir mit Zuckerbrot. Die USA haben dem Sudan die Streichung von ihrer Terrorliste angeboten, wenn er das Referendum plangemäß organisiert.

Dass al-Baschir sich Dschuba abkaufen lässt, ist unwahrscheinlich. Denn viel haben die Amerikaner nicht zu bieten. Schließlich ist da noch eine Kleinigkeit, die die Annäherung fraglich macht: Darfur. Al-Baschir wird vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag per Haftbefehl wegen Völkermords und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Provinz im Westen des Landes gesucht.

Eine volle Rehabilitation des sudanesischen Präsidenten, ähnlich der des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi, ist damit ausgeschlossen. Schon jetzt bewegt sich die Regierung Obama auf glattem Eis, wenn sie Darfur bei der Lösung der Nord-Süd-Frage ausklammert.

Den USA wird damit am Ende nur der andere Weg bleiben: die Peitsche.

Teil 3: China könnte für ein Happy End sorgen

Bush soll einst nach dem 11. September 2001 al-Baschir sehr deutlich gemacht haben, was passiert, wenn er nicht kooperiert. CIA-Offiziere warnten, dann würden die Ölraffinerie bei Port Sudan, der Hafen und die Pipeline bombardiert. Al-Baschir zeigte Einsicht. Ein paar Folterwerkzeuge hat auch Obama: Weitere Sanktionen für den ohnehin hoch verschuldeten Staat und Reisebeschränkungen.

Voraussetzung wäre, dass auch die afrikanischen Staaten mitziehen. Sie müssten die Unabhängigkeit des Südsudan akzeptieren – und sie müssten al-Baschir ächten, statt ihn mit militärischen Ehren zu empfangen.

Am Ende könnte es China sein, das für ein Happy End sorgt. Der Vielvölkerstaat fürchtet zwar separatistische Umtriebe, aber noch mehr fürchtet er ein Erliegen der Ölproduktion im Sudan. Immerhin bezieht Peking mehr als die Hälfte des dort erzeugten Öls. Nun will China in den Hafen Luma investieren, der zum zentralen Umschlagplatz des Südens werden soll. Ein klares Signal. So deutet sich an, dass die Chinesen, bisher treue Unterstützer Karthoums, das Referendum ebenso unterstützen und akzeptieren wie die Amerikaner: Es wäre eine seltene G2-Allianz – aus Eigeninteresse.

Und Peking stünde einmal auf der richtigen Seite der Geschichte.

Source: http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/services/nachrichten/ftd/PW/50195690.html

اترك تعليقاً

لن يتم نشر عنوان بريدك الإلكتروني. الحقول الإلزامية مشار إليها بـ *