Wahlpause im Schlachthof
von Nils Metzger / Foto: dpa-PA
Dimitri Titov bringt es auf den Punkt: Der Vize-Generalsekretär der UN-Friedensmissionen erklärte in einer Sitzung des Weltsicherheitsrat am 11. Februar 2010, für einen Frieden in Darfur brauche es »die politische Repräsentation der ganzen Bevölkerung, Verhandlungen in Doha und die Einstellung aller Militäroperationen«. Bereits seit Monaten treffen sich Vertreter der Khartumer Regierung mit Rebellenvertretern auf Einladung Katars in Doha. Federführend sind hierbei Omar al-Baschirs Berater Ghazi Atabani, sowie die bedeutendste Unabhängigkeitsgruppierung »Justice and Equality Movement« (JEM). Während es in der westlichen Provinz Darfur immer wieder zu Massakern und Vertreibungen kommt, dringen nur spärlich Informationen aus den Konferenzsälen am Golf. Die Inhalte der Unterredungen bleiben vertraulich, da beide Seiten durch ihre Unnachgiebigkeit große Popularität unter ihrer Anhängerschaft genießen.
Als die Sudan Tribune, die große englischsprachige Zeitung des Landes, am 20. Februar 2010 von einem Verhandlungsdurchbruch sprach und ein »Friedensabkommen innerhalb von drei Wochen« in Aussicht stellte, begrüßte der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Moussa, diesen Schritt als »konstruktiv« und »ein positives Zeichen«. Nur ein gemeinsames Agieren vieler arabischer Staaten hätte diese Entwicklung ermöglicht, so Moussa weiter.
Leider haben unzählige solcher Abkommen in der Vergangenheit keine große Halbwertzeit bewiesen. Die in unzählige Gruppen zersplitterten Befreiungsbewegungen des Westsudan haben in dem seit 2003 andauernden Konflikt mit rund 400.000 Toten und knapp drei Millionen Flüchtlingen ihr Ziel offiziell nie aus den Augen verloren: Die etwa fünf Millionen Menschen des Fur-Volkes fordern einerseits die kulturelle Eigenständigkeit vom arabisch geprägten Khartum und andererseits freien Zugriff auf die Erlöse des in Darfur geförderten Erdöls.
»Chaos und Unruhen vermeiden«
Gleichzeitig kämpfen die einzelnen Organisationen um die Vorherrschaft innerhalb der bewaffneten Gruppierungen. Besonders die seit 1999 existierende JEM erhebt den Anspruch, alleiniger Vertreter der Sezessionsbewegung zu sein. Koordinierte sie in den ersten Jahren noch Angriffe zusammen mit weiteren Milizen, so zum Beispiel der »Sudan Liberation Movement« (SLM), begibt sie sich heute freiwillig in den Dialog mit der Regierung, um ihre Interessen gegenüber den Rivalen zu wahren.
Khalil Ibrahim, Anführer der JEM rief nach der Unterzeichnung des Grundsatzabkommens vom 20. Februar dazu auf, sich unter seiner Führung zu vereinigen, um »Chaos und Unruhen zu vermeiden«. Bereits im Vorfeld der Übereinkunft verbreitete SLM-Chef Abdul Wahid Nur über die von Saudi-Arabien finanzierte Tageszeitung al-Sharq al-Awsat, dass seine Kämpfer keine Gespräche mit der Zentralverwaltung führen werden, bevor nicht die Besatzung ihres Landes beendet sei. »Dies ist der Unterschied zwischen uns und anderen Gruppen«, wird Nur zitiert.
Für Präsident Omar al-Bashir ist dies eine einmalige Chance. Zwar kann man aus der Bereitschaft zum Dialog nicht ableiten, ob sich die Rebellen auf dem Rückzug befinden und an internen Konflikten zerrieben werden, oder ob sie diese Gelegenheit nutzen, um Kräfte zu sammeln. Speziell nachdem in den letzten Wochen wieder vermehrt Todesopfer aus dem Süden des Landes zu beklagen sind, wo der Bürgerkrieg erst 2005 zu einem Ende kam, muss Präsident al-Baschir dafür sorgen, dass Ruhe in seinem Land einkehrt. Je näher der Wahltermin rückt, desto kritischer wird die Aufgabe der Administration, einen politischen Flächenbrand zu verhindern. Die politische Dominanz und den Reichtum aller arabischen Provinzen gegenüber dem Rest des Landes zu wahren kann man als das erklärte Ziel al-Baschirs betrachten, welches er in den vergangenen Jahren äußerst brutal durchsetzte.
Der geplante Termin für die Unterzeichnung des Darfur-Waffenstillstandes ist der 15. März 2010, der Wahltermin ist aktuell für den 10. April dieses Jahres angesetzt. Noch immer wird die Anzahl der Kandidaten, die einzelnen Bevölkerungsgruppen zustehen, fast täglich geändert und noch immer kämpfen unzählige Parteien darum, auf die Wahllisten gesetzt zu werden. Eine derschwierigsten Regionen des Kontinents kommt in Bewegung – der Ausgang ist ungewiss