Über Nacht Ausländer in eigener Heimat

Über Nacht Ausländer in eigener Heimat

Minderheiten sorgen sich um ihren rechtlichen Status nach dem Referendum im Sudan – vor 11 Stunden

AWEIL  – Mehr als 3,5 Millionen Menschen im Südsudan entscheiden am kommenden Sonntag über einen eigenen Staat. Doch die dort lebenden Minderheiten sorgen sich, welchen rechtlichen Status sie nach dem Referendum haben werden.

Seit seiner Flucht aus Darfur vor vier Jahren hat Musa Adam nur ein Ziel vor Augen: Seine junge Frau aus der Krisenprovinz in die neue Heimat im Südsudan nachzuholen. Auf Sicherheit hofft Adam, der den Krieg in Darfur endlich hinter sich gelassen hat, doch das Unabhängigkeitsreferendum am 9. Januar könnte seine Hoffnungen über Nacht zunichte machen: Viele Sudanesen befürchten, dass eine Teilung des Landes zu neuer Gewalt oder sogar einer Rückkehr zum erst 2005 beendeten Bürgerkrieg führt.

Politiker im Süden haben den Flüchtlingen aus Darfur bereits versichert, sie könnten wie alle anderen Landsleute aus dem Norden auch nach einer Unabhängigkeitserklärung bleiben. „Sie werden weiterhin willkommen sein, ihr Eigentum wird geschützt sein, und wenn sie Bürger werden wollen, kein Problem“, sagt Barnaba Marial Benjamin, der Informationsminister der Regierung im Südsudan.

Laut Zahlen aus dem Jahr 2008 lebten damals etwa 80 000 Araber aus dem Nordsudan im Süden. Manche haben bereits ihre Häuser und Geschäfte verkauft und sind in den Norden zurückgekehrt, aber für die Darfuris kommt das nicht infrage. „Wenn wir nach Darfur zurückgehen, werden uns diese Araber erschießen“, sagt Adam. Er arbeitet soviel er kann in einem Restaurant in der Stadt Aweil, um seiner Frau die Ausreise in den Süden zu ermöglichen.

Den Menschen im Süden fühlen sich die Darfuris mehr verbunden als ihren Landsleuten im Norden, weil beide Gruppen einen ähnlichen Horror durchgemacht haben. Viele sehen sich außerdem den Afrikanern im Süden näher als der von Arabern dominierten Regierung im Norden. „Wir sind alle Afrikaner“, sagt Musa Ali, der aus Darfur kommt und eine Autowerkstatt in Aweil betreibt. „Wenn es während des Referendums Ärger gibt, werde ich nicht zurückgehen.“
Keine klaren Ankündigungen

Menschenrechtsgruppen haben bereits die Entscheidung von Politikern gelobt, die den Schutz von Minderheiten auf beiden Seiten der Grenze zugesagt haben. Entscheidend sei aber, deren rechtlichen Status zu klären: Denn wenn sich der Süden wie erwartet für die Unabhängigkeit entscheidet, könnten Hunderttausende in beiden Landesteilen über Nacht zu Ausländern in ihrer eigenen Heimat werden. Dass bislang keine Vereinbarungen getroffen seien, verstärke die Angst von Minderheiten im ganzen Land, vor allem unter den Sudanesen aus dem Norden, die im Süden lebten, sagt Jehanne Henry von Human Rights Watch.

Der Norden hat sich bislang nicht klar geäußert, ob Angehörige aus dem sezessionistischen Süden nach einer Abspaltung weiterhin willkommen wären. Vizepräsident Ali Osman Mohamed Taha hat zwar erklärt, die 1,5 Millionen Südsudanesen würden geschützt. Aus dem Informationsministerium verlautete jedoch, nach einer Unabhängigkeit des Südens könnten sie keine medizinische Behandlung im Krankenhaus erhalten. Andere Behördenvertreter haben laut Human Rights Watch angekündigt, jeder aus dem Süden werde im Norden nicht nur sein Eigentum verlieren, sondern unter anderem auch das Aufenthaltsrecht und den Zugang zu Sozialleistungen.
„Ich habe alles verloren“

Viele in den Süden geflüchtete Darfuris trauen einer neuen, unabhängigen Regierung im Süden mehr als der in Khartum, die sie für die Gewalt in ihrer Heimat verantwortlich machen. Auch Ahmed Ibrahim Rahman will trotz der drohenden neuerlichen Gewalt bleiben. Er lebt seit vier Jahren im Süden, nachdem Sicherheitskräfte der Regierung in Khartum Güter im Wert von umgerechnet mehreren Hunderttausend Euro aus seinem damals gut gehenden Geschäft beschlagnahmt und ihn ins Gefängnis geworfen hatten. Zwei Jahre war er inhaftiert, warum, weiß er noch immer nicht genau.

Sobald er freikam, flüchtete Rahman in den Südsudan. Seinen Lebensunterhalt verdient er inzwischen mit einem Stand auf dem Markt von Aweil. „Ich habe alles verloren“, sagt er. Die Regierung im Nordsudan „mag es nicht, wenn Schwarzafrikaner reich werden“. Zurück will er auf keinen Fall, lieber verkauft der einst erfolgreiche Unternehmer in Aweil weiterhin alles Mögliche, von Babykleidung bis zu Schuhen. Wichtig ist ihm vor allem eins: „Hier leben wir in Frieden.“

Source:

http://www.nordbayern.de/nuernberger-nachrichten/politik/
uber-nacht-auslander-in-eigener-heimat-1.420475

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