Bürgerkrieg im Sudan: Der lange Weg zum Recht
Vertreter des Internationalen Gerichtshofs und darfurische Exilanten beraten das Schicksal des Landes in Ostafrika. Die Geschädigten werden vermutlich einen langen Atem brauchen.
Wer „online lebt“ oder wem die Fernsehnachrichten reichen, der hätte den Samstagnachmittag im Europasaal des Le Meridien Parkhotels am Wiesenhüttenplatz nahe des Hauptbahnhofs absurd gefunden. Aber für die,
die dort waren, hatte die Zusammenkunft etwas Dringliches, ja Unaufschiebbares: Der Verein Darfur-Hilfe, Vertreter des Internationalen Gerichtshofs der Vereinten Nationen. Und Darfuris.Den Abgesandten des International Criminal Court (ICC) ging es um Aufklärung über ihre Arbeit. Den Darfuris aus der westlichen Region des Sudan, in dem seit 2003 Bürgerkrieg ist, ging es darum, zu erfahren, was sie sich an Gerechtigkeit in ihrer Sache erhoffen können vom ICC in Den Haag. Die Darfur-Hilfe hatte das Zusammentreffen organisiert.
Mit der Gerechtigkeit ist das so eine Sache. Sie hat wenig mit Recht zu tun, und es kann lange dauern, bis sie herrscht. Seit diesem Jahr liegt 114 Staaten ein Haftbefehl des ICC für den sudanesischen Präsidenten Omar al Bashir vor. Die Anklage lautet auf Völkermord, er soll maßgeblich den Einsatz der mörderischen Janjaweed-Milizen gegen die Darfuris verantworten.
Ein Staatschef unter Anklage
Aber selbst der Sudan-Nachbar Tschad hat al Bashir nicht festgenommen, als er bei einem Besuch des Sudanesen die Gelegenheit dazu hatte. Das Land hegt dabei keinerlei Sympathien für den Sudan und ist einer der 114 Staaten, die für die Souveränität des ICC bei der Verfolgung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit ihre Unterschrift gegeben haben. Politik und Diplomatie werden – was Wunder – die Arbeit des erst seit wenigen Jahren tätigen ICC immer beeinflussen oder auch behindern. Gerade wird in Den Haag gegen kongolesische Kriegsverbrecher verhandelt. Aber das sind „nur“ Milizenführer. Keine Staatschefs.
Und selbst wenn ein Staat al Bashir verhaften sollte, es zum Prozess gegen ihn käme – auch das wird an diesem Nachmittag in Frankfurt deutlich -, dann steht vor einer Verurteilung immer noch ein ordentliches Gerichtsverfahren. Und das heißt, der Angeklagte kann auch freigesprochen werden.
Es sind ernüchternde Worte, gesprochen von nüchternen Juristen, deren Sache subjektive Gerechtigkeit schlicht nicht ist. Die aber dem Recht Schritt für Schritt, Prozess um Prozess, zum Sieg verhelfen können. Was den ICC auf einer ganz anderen Ebene hervorhebt, ist seine Aufmerksamkeit den Opfern gegenüber: Zum einen dürfen Opfer oder ihre Vertreter mit eigenem Rechtsbeistand an den Prozessen teilnehmen, quasi als eine dritte Partei neben Anklage und Verteidigung. Der ICC tut aber noch mehr. Er hat eine eigene Abteilung für Reparationen, für Wiedergutmachung. “Für das Reparieren”, wie es der im Sudan tätige amerikanische “field officer” Matthew Bowlby in Frankfurt umschreibt. “Das kann vom sich Entschuldigen für zugefügtes Leid über Geld und materiellen Ausgleich bis zu einem Denkmal für die Opfer reichen.” Was es in Darfur sein wird, das wird nur die Zeit weisen.
Und so werden die Darfuris sich in Geduld üben müssen, werden Träume aufgeben und Hoffnungen verlieren. Vielleicht werden sie aber am Ende doch gewinnen – wenn auch anders als auf dem Schlachtfeld. Und die deutsche Darfur-Hilfe wird weiter arbeiten: Spenden sammeln und aufklären in Deutschland, Schulen bauen und ausrüsten in Darfur. Während in Den Haag auf dem schmalen Grat zwischen Recht und Gerechtigkeit gewandelt werden muss.
www.icc-cpi.int
www.darfur-hilfe.org
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in Fr-online am Sa, den 16.10.2010